Das Lieferkettengesetz hinterfragt
Erzbischof Ludwig Schick aus Bamberg
(Interview im Deutschlandradio (gekürzt), am 29.9.2020)
„Nicht immer gleich sagen, das ist nicht möglich“
Der Erzbischof von Bamberg sieht es als Aufgabe der Katholischen Kirche, die Wahrung der Menschenwürde und der Menschenrechte anzumahnen.
Das Lieferkettengesetz soll Firmen verpflichten, Menschenrechtsstandards in den Produktionslinien einzuhalten.
Es gibt immer wieder Vorwürfe gegen deutsche Konzerne, dass sie weltweit mit Zulieferern und Partnerunternehmen zusammenarbeiten,
- die keine Standards einhalten,
- die Kinder ausbeuten und
- die die Umwelt zerstören.
Ein Lieferkettengesetz soll das verbieten.
Nun fordert auch die Katholische Kirche ein weltweites Lieferkettengesetz.
Erzbischof Schick:
Wir müssen den Menschen ihre Würde garantieren, ihre Rechte garantieren, fairen Lohn garantieren und letztlich auch für die Umwelt unsere Aufgaben erfüllen. Wir können nicht zulassen, dass der Amazonas abgeholzt wird und dass sich in Afrika die Wüsten ausbreiten.
Deutschlandradio: Warum kommt dieses Gesetz Ihrer Meinung nach nicht voran?
Schick: Es gibt Industriemanager, die immer den höchsten Gewinn vor Augen haben und ihn auch erzielen wollen, und für die ist das Lieferkettengesetz ein Hemmnis, eine Bremse. Sie haben gute Lobbyisten in verschiedenen Regierungen.
Deutschlandradio: Wir hören von dem Beispiel eines deutschen Chemiekonzerns, der möglicherweise mit Tausenden von Unternehmen überall auf der Welt zusammenarbeitet und diese Unternehmen dann wiederum mit Tausenden. Da kommen leicht Hunderttausende von kleinsten Unternehmen zusammen, die in einer Lieferkette für ein Produkt stecken, das in Deutschland hergestellt wird. Kann man von diesem Konzern erwarten, dass er alles im Blick hat?
Schick: Ja, man kann das erwarten. Alles andere sind Ausreden. Zunächst trifft das Lieferkettengesetz die größeren Firmen. Alle größeren Unternehmen können ihre Lieferanten und Subunternehmen verpflichten, Missstände ausschalten und sie kontrollieren. Das kann sich nach einem Schneeballsystem bis zu den kleinsten Unternehmen durchziehen.
Es ist wichtig, dass wir immer das Ziel der Wahrung der Menschenwürde und der Menschenrechte vor Augen haben.
Das können wir nicht zur Disposition stellen.
Deutschlandradio: Viele Manager sagen: „Wir können nicht mehr arbeiten, wenn wir ständig verklagt werden, weil irgendein Kleinstunternehmer auf der Welt gegen das Lieferkettengesetz verstößt.“
Schick: Mit den Klagerechten ist es nicht so, wie es manche behaupten. Es kann nicht jeder gegen jeden klagen. Es gibt gesetzliche Regelungen, die diese ewigen Klagereien verhindern. Vorwürfe muss man im Einzelfall beweisen.
Man darf nicht immer gleich sagen, es ist unmöglich. Das lähmt alles.
Deutschlandradio: Was sagen Sie dem deutschen Wirtschaftsminister Peter Altmaier, der dieses Gesetz gerade wieder verzögert?
Schick: Ich sage ihm, dass er das nicht tun soll! Er soll sich mit seinen Co-Ministern Heil (Arbeitsminister) und Müller (Entwicklungsminister) auseinandersetzen. (Beide haben zusammen den Entwurf für das Gesetz erarbeitet und dem Kabinett vorgelegt). Und außerdem: Lieferkettengesetze gibt es in anderen Ländern Europas schon, wie in Frankreich, in den Niederlanden und auch in Großbritannien. Es ist möglich!
„Während in Europa das Vorzeigemodell der ökologisch-sozialen Marktwirtschaft herrscht, kann man
Umweltverbände begrüßen die Initiative zum Lieferkettengesetz, kritisieren aber, dass Umweltaspekte nicht genug berücksichtigt werden. Schäden an der Umwelt führen immer auch zur Gefährdung von Leben.
Der Entwurf des Lieferkettengesetzes kursiert seit Monaten im Kabinett. Die Abstimmung wird aber immer wieder verschoben.